"Weißt du noch, damals, im Lockdown? Was hast du da eigentlich so gemacht?" Wenn dir Jahre später, auf einer lauten Party, im tanzenden Licht der Disko-Kugel diese Frage ins Ohr gebrüllt wird, musst du schnell reagieren. Keiner wird von dir hören wollen, wie viele Sitzmöbel du im Umkreis von 10 Metern durchgesessen hast. Und auch das Nacherzählen von Lieblingsserien wird spätestens ab der zweiten Staffel keinen mehr interessieren.
Es wäre daher strategisch günstiger, auf diese Frage eine kurze, prägnante Antwort bereitzuhalten. Oder noch besser: ein Bild. Denn wäre es nicht praktisch, auf alle Fragen zum Lockdown & Co mit einem einzigen Bild antworten zu können? Das auf deinem Handy ist? Und das selbstgestaltet ist? Und zwar von dir? Doch, gib zu, das wäre schon nicht schlecht...
Oben: Lockdown 1.o. von Marc B. Unten: Making of (zum Vergrößern bitte anklicken)
Jordis W.: Moosgummidruck auf Tapete, 120 x 60 cm
"Schöner Abhängen im Lockdown": Wie genau das geht, hat mein 13er Kunst-Grundkurs mit seinen Werken à la #Warhol untersucht. Der Lockdown 2.0. betrifft ihn eigentlich nicht direkt: Als Abschlussjahrgang hatten die 13er im Winter 2021 durchgehend Präsenzunterricht. Doch sie erinnern sich noch lebhaft an den Lockdown 1.0. im Frühling 2020: Auch sie hatten damals diverse Sitzmöbel plattgesessen, auf Bildschirme gestarrt, sich gelangweilt, sich im Homeschooling angestrengt und sich anschließend exzessiv entspannt - zu exzessiv vielleicht, wie sie selbst zugeben mussten. Die einen hatten zu viel Süßkram gefuttert, die anderen zu viele Energy-Drinks getrunken, manche hatten Streamingdienste in die Knie gezwungen, andere - ihren Pizza-Lieferanten. Nicht wenige hatten auf ihrer Playstation "gesuchtet", ununterbrochen Kuchen gebacken oder unzählige Schmink-Tutorials ausprobiert... Wenn also die Frage aller Fragen aufkommt, "Was hast du letzten Lockdown so gemacht?", werden sich viele von ihnen an ihre Lieblingsserien und -spiele zurückerinnern; riesige Eisbecher und winzige Bügelperlen werden vor ihrem inneren Auge aufflackern. Wobei es eigentlich nicht beim inneren Auge bleiben muss, oder? Daher lautet unser alternatives Lockdown-Motto: "Macht eure Lockdown-Laster sichtbar! Macht es wie Warhol, macht sie zu Kunst!"
Detailaufnahmen (zum Vergrößern bitte anklicken)
Andy Warhol: Campbell's Soup I, 1968 @ MoMA
Didaktischer Kontext
Als unumstrittener Master of Laster kann der Pop Art-Künstler Andy Warhol (1928-1987) gelten. Seit den 1960er Jahren setzt Warhol seine Laster effektvoll in Szene. Seine grellen Campbell-Suppendosen fungieren als Wahrzeichen unserer konsumfreudigen Wegwerf-Gesellschaft. Gleichzeitig parodiert Warhol damit das klassische Genre des Stilllebens: Anstatt wie gewöhnlich Obst und Gemüse aufeinander zu türmen, inthronisiert er verarbeitete Lebensmittel aus oder vielmehr in der Dose: maximal denaturiert, auf ein Mindestvolumen komprimiert und praktischerweise schon werbewirksam verpackt. Die Frage, ob Warhol den Massenkonsum feiert oder kritisiert, lässt er selbst gern offen. Seiner eigenen Aussage zufolge mag er einfach Konserven:
"Because I used to drink it. I used to have the same lunch every day, for twenty years, I guess, the same thing over and over again. Someone said my life has dominated me; I liked that." (1)
Ob hinter diesem provokant stumpfen Statement mehr steckt? Man weiß es nicht. Sicher ist nur, dass Warhol sein Leben lang nicht müde wurde, Stars, Sternchen und eben auch Suppendosen abzubilden - und zwar in allen Farben des Regenbogens. Weitere Antworten auf die Frage, was in Warhols ominöser Büchse der Pandora stecken könnte (manch einer tippt auf Schrödingers Katze, manch anderer auf merda d'artista), findet ihr unter anderem hier.
Campbell' Soup - in allen 32 Geschmacksvarianten des Herstellers. Hier in MoMA, New York
1. Einstieg: Farbübung à la Warhol
Schritt eins: Als Einstieg in das Thema Pop Art empfiehlt sich eine Farbübung à la Warhol. Dabei wird ein industriell hergestelltes Motiv nach einer Fotovorlage abgezeichnet und in monochrome Farbfelder eingeteilt.
Im Fall meines Kunstkurses haben wir das Auto-Motiv gewählt; letztlich hätte es jedes andere Motiv sein können. Denn gerade darum geht es hierbei: den Inhalt auszublenden und in rein ästhetischen Kategorien zu denken. Welche Farbkombinationen puschen sich gegenseitig nach vorne? Welche Farbintensität, Deckkraft und Flächenaufteilung tragen verstärkend dazu bei? Wie kann eine maximal plakative und dabei trotzdem harmonische Gesamtwirkung erzielt werden? Das Motiv ist dabei völlig nebensächlich. Laut Warhol kann es ein Schuh, ein Auto oder auch eine Kaffeetasse sein, am Ende ist "alles schön" und "alles ist Kunst":
"I see art in everything. Your shoes. That car. This coffee cup. It's art if you see it as art." (2)
Warming Up mit Andy Warhol
(ca. 30 Min.)
1. Pauscht die Umrisse eurer Fotovorlage ab - am Fenster oder mit Kohlepapier.
2. Teilt euer Motiv in beliebig viele Farbfelder ein
3. Malt sie in kräftigen, beliebig gewählten Farben aus
4. Lasst uns über die Bildwirkung diskutieren!
Ausmalvorlagen nach Warhol-Motiven gibt es übrigens hier und interaktiv hier.
Andy Warhol beim Einkaufen, 1965 @ Bob Adelman
Universum Warhol
Warhols Methode widerspricht bewußt dem traditionellen Verständnis von Kunst. Mochten noch so viele Künstler in den vergangenen 100 Jahren den Kunstbegriff neu definiert und erweitert haben - das Kunstverständnis des breiten Publikums bliebt weitgehend unverändert. Demnach hat ein Künstler handwerkliche Virtuosität, stilistische Individualität sowie starken Emotionen zu liefern. Warhol verwehrt sich aber allen diesen Erwartungen. Stattdessen bedient er sich lieber fremder Bilder und Fotovorlagen, lässt seine Drucke von Assistenten anfertigen, feiert in seiner #Factory das Banale und Oberflächliche, distanziert sich weitestgehend von seinen Kunstwerken sowie vom elitären Getue der Hochkultur.
"All is pretty," (3)
propagiert er und setzt Comics auf eine Ebene mit Shakespeare, Werbeposter mit Mona Lisa gleich. Alles ist schön, alles kann Kunst sein. Wie auch andere Pop Art-Künstler, zum Beispiel Roy #Lichtenstein oder Richard Hamilton, zelebriert Warhol die Popkultur, welche von der intellektuellen Elite bis dahin bestenfalls belächelt wurde. Der Schüler Hauke B. bringt es in seinem Pop Art-Referat auf den Punkt:
"Der Begriff Pop-Art, der durch den britischen Kunstkritiker Lawrence Alloway geprägt wurde, leitet sich vom angelsächsischem popular, bzw. populance ab, was wiederum eine Adaption des lateinischen populus für einfaches Volk darstellt. Bei der Pop-Art handelte es sich also um Kunst für das einfache Volk über das einfache Volk. Sie war eine direkte Gegenbewegung, eine Protestaktion gegen die „High-Art“, sah aber gleichzeitig in dieser ihre Vorbilder. So entlehnte sie etwa ihren Hang zum Trivialen, zum Alltäglichen dem Dadaismus, die klare Linienführung und die Farbgebung dem Konstruktivismus, die Darstellungsweise dem Realismus. All diese Elemente kombinierte sie mit dem Stil, den Produktionsverfahren und Motiven der kommerziellen, alltäglichen Kunst."
Gleichzeitig bedient Warhol nur allzu bereitwillig das Klischee des dummen weißen US-Amerikaners: konsumfreudig, geldgierig, oberflächlich. Seine Bilder, so Warhol, haben keine Metaebene, keinen doppelten Boden. Sie stellen genau das dar, was darauf zu sehen ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger:
„If you want to know all about Andy Warhol, just look at the surface of my paintings and films and me, and there I am. There’s nothing behind it.“ (4)
Auch diese Aussage von Warhol darf ruhig hinterfragt werden: Schließlich ist seine gespielte superficiality (Oberflächlichkeit) Teil seiner Selbstinszenierung. Um damit Weltruhm zu erlangen, muss man ihre Mechanismen verstehen und beherrschen. Doch anstatt die Zaubertricks von Warhol zu hinterfragen, lassen wir uns lieber von ihm verzaubern und spielen sein Spiel spaßeshalber mit. Tun wir so, als würden wir genauso theatralisch und medienwirksam wie er unsere Laster pflegen und unsere Oberflächlichkeit zelebrieren. Mal sehen, ob es uns gelingt.
"I am a deeply superficial person," (2)
behauptet Warhol. Na denn...
Eine kurze, anschauliche Einführung in das Universum Warhol. 3.41 Min, englisch
2. Schöner Abhängen im Lockdown: das Projekt
Helena B.: Schöner Gärtnern
Ob Konserven oder Filmstars: Vor dem King of Pop sind alle Motive gleich. Und nicht nur die:
"In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes," (5)
prophezeit Warhol großzügig - und meint damit im Subtext, dass Künstler wie Kunstwerke ein sehr kurzes Verfallsdatum haben, deutlich kürzer jedenfalls als seine Lieblingskonserven. Aber Schwamm drüber, wer plant schon so lange im Voraus? Stattdessen fokussieren wir uns lieber auf unsere bevorstehenden 15 Minuten Ruhm. Daher folgt Schritt Zwei in den Fußstapfen von Andy Warhol: Dem eigenen Laster ein Denkmal setzen.
Nun stellt sich erneut die Ausgangsfrage: Was hast du im letzten Lockdown so gemacht? Hast du gesündigt? Hast du mit dem einen oder anderen deiner Laster ein wenig übertrieben? Und auf welchen ikonischen Gegenstand lässt sich dein Laster visuell herunterbrechen? Je banaler dieser Gegenstand dabei erscheint, desto eingängiger seine Wirkung. Was dem einen seine Suppendose ist, ist dem anderen womöglich seine Fernbedienung. Es kann aber auch eine Limo oder eine Packung Gummibärchen sein, schließlich hatte auch Master Warhol himself eine bizarre Vorliebe für chemisch aufgearbeitete "Lebens"-Mittel.
Hauke B.: Schöner Streamen
Steht euer Bildmotiv erst einmal fest, soll es im Schritt drei möglichst eindrucksvoll in Szene gesetzt werden: formatfüllend herangezoomt, gut ausgeleuchtet und vor einem einfarbigen Hintergrund fotografiert. Man achte dabei auf den Aufnahmewinkel: Im Gegensatz zum klassischen Stillleben, das für gewöhnlich aus einer erhöhten Perspektive dargestellt wird, begibt sich Warhol auf Augenhöhe mit seinem Motiv. Das schafft Nähe und lässt es einzigartig und individuell erscheinen. Subtil verschwimmen dabei die Grenzen zwischen verschiedenen Kunst-Genres: Ein klassisches Stillleben-Motiv wie die Dose erhält bei Warhol porträtähnliche Züge.
Das Licht fällt frontal darauf, der Blick des Betrachters ebenfalls. Somit gibt es im Bild weder Asymmetrien noch Schatten, und genau daraus erklärt sich seine ikonische und - trotz elliptischer Rundungen - recht flache Wirkung.
Dilara K.: Schöner Musikhören
Die monochrom aufgetragene Farbe verstärkt diese Wirkung noch. Deswegen sollen in Schritt vier farbige Skizzen angefertigt werden, auf denen verschiedene Farbflächen-Aufteilungen und Kontraste erprobt werden können. Wie bei der Auto-Übung (s. o.) soll dieses Experiment dabei helfen, das Motiv optimal zu inszenieren. Und damit man keine Zeit unnötig verplempert, können eigene Vorzeichnungen fünf bis zehn Mal fotokopiert oder mit Kohlepapier abgepauscht werden. Diese selbsthergestellten Ausmalbilder können anschließend für Farbexperimente genutzt werden. Filzstifte, Deck- oder Acrylfarbe eignen sich dafür am besten, weil man damit schnell, farbintensiv und flächendeckend arbeiten kann. Wenn man etwas mehr Zeit mitbringt, kann man diese Experimente auch in Tonpapier ausprobieren und kleine Collagen anfertigen.
Anschließend werden alle Farbskizzen
nebeneinandergelegt und ausgewertet. Ob die grellste, originellste oder harmonischste Farbkombination am Ende den Zuschlag erhält, bleibt dabei dem Künstler überlassen.
La Dolce Vita mit Laura N., Diyar G, Dilara K. und Hauke B.
In Schritt fünf schließlich, Warhol ganz dicht auf den Fersen, sollen Bilder entstehen, die den Farb- und Kompositionsprinzipien von Warhol Rechnung tragen. Hierzu habe ich einen kurzen, bewusst sehr offen gehaltenen Arbeitsauftrag formuliert, bei dem alle Collage-, Mal- und Drucktechiken zulässig sind:
Zeigt her eure Laster: Bilder im Stil von Andy Warhol
1. Bestimmt habt auch ihr im Lockdown ein wenig "gesuchtet": zu viel Süßkram genascht, zu lange geschlafen oder zu exzessiv ferngesehen... Was war es genau? Auf welchen ikonischen Gegenstand lässt sich eure Lockdown-Sünde reduzieren? Macht ein Foto davon.
2. Zeichnet euer Objekt der Begierde im Postkartenformat (ca. Din A6), vervielfältigt es und probiert fünf bis zehn Farbkompositionen daran aus.
Bei der finalen Umsetzung dürft ihr euch für eine Technik entscheiden:
3a. Groß, größer, monströs: Übertragt eure Vorskizze auf Großformat und malt sie in grellen, poppigen Farben im Stil von Roy Lichtenstein.
3b. Grellllx4: Erstellt eine Collagen-Serie aus mindestens vier Einzelbildern mit Fokus auf Simultan- und Farbe-an-sich-Kontrast, den Lieblingskontrasten der Pop Art.
3c. Viel, mehr, Massenware: Stellt eine Platte her und druckt euer Motiv groß, plakativ und in Serie wie Andy Warhol.
Elisa B. und Lucie H.: Schöner Trinken: Riverdale-Milchschake meets Hamburger Fritz-Limo
Schöner drucken: Praktische Tipps und Tricks
1. Material der Wahl: Linoleum
Weil Siebdruck - Warhols bevorzugte Drucktechnik - ohne Spezialausrüstung kaum realisierbar ist, kann auf Hochdruckverfahren, etwa Linoleum zurückgegriffen werden. Dafür braucht ihr: Linolbesteck, Walze, wasserlösliche Druckfarbe (gibt es auch als Farbset) und eine Glas- oder Kunststoffplatte, um darauf Farbe auszurollen. Wie Drucken ohne Presse funktioniert (kinderleicht!), erfahrt ihr aus diversen YouTube-Tutorials, etwa hier. Eine schriftliche Anleitung mit vielen Bildern und erklärenden Texten gibt es hier.
2. Darf es etwas größer sein? Moosgummi
Alternativ zu Linoleum kann man auch Moosgummi benutzen (s. unten). Nachteil ist, dass man damit keine feinen Linien oder gar Schraffuren erzeugen kann. Vorteile dagegen: Das Material ist günstig, lässt sich in sehr großen Formaten (sogar von der Rolle!) beschaffen und kann mit einer (Nagel-)Schere ganz unkompliziert in Form geschnitten werden: kein Schnitzbesteck nötig. Fürs finale Drucken braucht man dieselben Materialien wie oben: Walze, Ausrollplatte und Druckfarbe.
Jordis W.: Jumbo-Lipstick, aus Modellbaupappe, Moosgummi und als Druck (unten)
3. Papier
Eins darf natürlich bei keinem Druck fehlen: Das richtige Papier. Wenn man mit einer Druckpresse arbeitet, kann man auf beinah jedem Material drucken. Ohne Druckpresse dagegen, wenn man nur eine Walze oder den eigenen Handrücken zur Verfügung hat, sollte man kein allzu dickes Papier benutzen: So lässt sich die Farbe besser übertragen. Spannend wird es, wenn man auf einem strukturierten, farbigen oder bedruckten Papier arbeitet, auf Tapete, Pappe, Zeitung, Holz etc. Was auch sehr schön sein kann: Vorab mehrere Bögen Papier mit ganzen Platten bedrucken, trocknen lassen und eure Motive darauf drucken. So wird jedes Bild ein Unikat.
4. Vorsicht, Spiegelung!
Beim Drucken wird die Platte gespiegelt. Daher solltet ihr eure Vorskizze beziehungsweise eure Fotovorlage am besten im Vorfeld spiegeln. Am leichtesten geht es am Rechner oder mit Hilfe eines Fotokopierers, der in der Regel Spiegel- UND Vergrößerungs-Einstellungen hat. Oder ihr klebt eure Vorlage ans Fenster und pauscht sie auf ihrer eigenen Rückseite ab. Zack - gespiegelt. Danach wird die Zeichnung wie gewohnt mit Hilfe von Kohlepapier auf die Platte durchgepauscht.
Schöner Backen mit Nasreen I. J
5. A propos durchpauschen
Wir haben es für euch getestet: Unserer Erfahrung nach lässt sich eine Vorlage mit Kohlepapier sehr gut auf Linoleum übertragen, jedoch überhaupt nicht auf Moosgummi: Die Farbe haftet nicht darauf. Also müsst ihr eure Vorlage mit einer dünnen Nadel punktieren und die gelochten Linien mit einem Kuli nachziehen. Oder ihr zerschneidet eure Vorlage zu Papier-Schablone(n). Oder - eine völlig verrückte Idee - ihr zeichnet eure gespiegelte Skizze einfach freihand. Unsere besten Leute haben es für euch ausprobiert, und siehe da - es geht!
6. Kleingedrucktes
Damit man nicht jedes kleine Moosgummi-Fitzelchen einzeln drucken muss, montiert ihr alle Details am besten auf eine selbstgebastelte Trägerplatte. Mit Sekunden-Kleber oder Heißklebepistole geht es ganz leicht. Allerdings haben wir dabei feststellen müssen, dass Moosgummi beim Drucken stark verrutscht und dass kleinere Platten an der Farbrolle kleben bleiben. Somit eignet sich dieses Material zwar sehr gut für Großformate, im Kleinformat dagegen sorgt es vor allem für Frustration.
Lockdown 2.o.: Schöner Impfen von Jona O., Moosgummidruck im Großformat, 120 x 80 cm
Raster-Studien nach Lichtenstein
Roy Lichtenstein, ein Lockdown-Prophet?
"M-May Be", 1965 @ Museum Ludwig Köln, VG Bild
Nun seid ihr am Zug
Die Anfangsfrage sollte rückblickend nicht lauten: "Was hast du im Lockdown so gemacht?", sondern vielmehr "Was hast du aus dem Lockdown mitgenommen?" Vermutlich eine ganze Menge. Vieles davon lässt sich heute noch nicht verbalisieren, vieles muss noch verarbeteit und ausgewertet werden. Dafür werden wir alle Zeit brauchen. Doch eins steht jetzt schon mal fest: Solange ihr aus dieser Phase der scheinbaren Ereignislosigkeit etwas Konstruktives oder sogar künstlerisch Wertvolles mitgenommen habt, habt ihr die Zeit gut investiert.
...und Action!
Nun seid ihr dran, eure Lockdown-Erfahrungen in Szene zu setzen: grell, effektvoll, inspirierend. Ich hoffe, dieser Beitrag konnte euch ein paar kreative Impulse dazu liefern. Viel Spaß beim Malen, Collagieren und Drucken - und wenn ihr mögt, schickt mir eure Bilder, damit ich sie hier veröffentlichen, andere Beitragleser inspirieren und euch (last, but not least) zu Weltruhm verhelfen kann. Zumindest für 15 Minuten.
Zu Weltruhm hier entlang: katia.tangian@gmx.net
Schöner Suchten mit Microsoft: Collage von Jan K.
Schöner Boxen & Co mit Michelle D., Marc Ch. B., Dilara K., Markus W., Helena B., Paul S.
Zugabe: Wie Schüler die Pop Art sehen
Ein sehr persönliches Statement von Diyar G. nach seinem Referat über Andy Warhol:
„Andy Warhol ist ein ekelerregender Heuchler. Er lässt seine Mitarbeiter, seine sogenannten Freunde, das ekeligste Bild machen lassen mit Urinieren auf Metall (6), ohne denen irgendeine Anerkennung zu geben. Und er selbst nennt sich dann DER Künstler der Pop Art, schwimmt im Geld und denkt, er wäre der beste Künstler seiner Zeit, wobei er nichts anderes ist als ein ekelerregender Heuchler.“
(Diyars Voicemail vom 25.03.2021, mit seinem Einverständnis verschriftlicht und veröffentlicht)
Weniger emotional argumentiert Hauke B., der ein Referat zur Pop Art gehalten hat:
"Pop Art ist letztendlich wenig mehr als die leicht bekömmliche Mischung aus einem Klecks Gesellschaftskritik, einer Prise Selbstironie, einem Hauch Zynismus, einer großen Portion der Protestaktion gegen die versnobte Kunstwelt und einem ordentlichen Schlag Selbstdarstellung frisch vom Künstler, garniert mit einem Zweiglein immanenten Diebstahls geistigen Eigentums."
(Haukes schriftliches Statement vom 29.03.2021; sein Trooper-Linoldruck s. unten)
Mit ihrer durchaus kritischen Einschätzung stehen Diyar und Hauke nicht allein: Bis heute polarisiert vor allem Warhol und sorgt im sonst so abgeklärten und toleranten Kunstbetrieb für reichlich Streitstoff. Auch Kunstkritiker bewerten Warhol ambivalent,
"von denen die freundlichen ihn zu einem "intensiven, desillusionierten Wahrheitssucher", also zu einem Existenzialisten erklären, während die unfreundlichen ihn für einen Widerling halten." (3)
Wie immer man die Pop Art im Allgemeinen und Warhol im Besonderen beurteilen mag, ihre 15 Minuten Ruhm haben sie um Jahrzehnte überzogen. Ihre Kompositionsprinzipien und Produktionsmethoden befruchten bis heute sowohl die Hoch- als auch die Populärkultur - und allein dies ist im Kunstsystem bereits einzigartig.
Andy Warhol in seiner Laster-Höhle The Factory mit Gerard Malanga, New York 1965
Eine Dose ist nicht genug! Andy Warhol in Gristedes Supermarket © Bob Adelman
Fußnoten
1 Warhol im Interview mit Swenson. In: Goldsmith (Hrsg.): I'll be your Mirror, S. 18
2 Dieses und weitere Warhol-Zitate findet ihr u. a. hier
3. Steinfeld, Thomas: 15 Minuten Ruhm. In: Süddeutsche Zeitung, 04.11.2018
4. Warhol im Interview mit Gretchen Berg, 1966
5. Warhol im Interview bei einer Fotoausstellung in Stockholm, 1968. In: Kaplan, Justin (Hrsg.): Bartlett’s Familiar Quotations, 16. Ausgabe, 1992, Little, Brown & Co., S. 758
6. Diyar spielt auf Warhols "Oxidation"-Bilderserie an (1978): Warhols "Mitarbeiter urinierten hierzu auf mit Kupfer-Pigment präparierte Leinwände, durch die chemische Reaktion entstanden zufällige, grünlich-oxidierte Effekte. Damit griff Warhol [seine eigene] Idee der "Piss-Paintings" der Sechziger wieder auf, als Factory-Besucher am Boden liegende Leinwände bepinkelten." In: Kuhrt, Nicola: Andy Warhols Spätwerk: "Nichts ist dahinter." In: Der Spiegel vom 17.02.2004.
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